GELFINGEN «Junge Familie übernimmt Chlotisberg», titelte der «Seetaler» 2010. Die Familie Gölis-Andermatt ist immer noch da, nicht mehr ganz so jung, aber mit mindestens so viel Leidenschaft wie damals. Augenschein an einem Ort, der jenseits des Lindenberg bekannter ist als im Seetal selbst.
Manchmal wird aus einem Witz ein Lacher, manchmal aber auch eine Erfolgsgeschichte. So führte die scherzhafte und keinesfalls ernst gemeinte Bemerkung: «Schau, da ist ein Seminarhaus zu kaufen» von Robert Gölis nach dem Blick in die Liegenschaften-Rubrik der Zeitung bei Frau Martina statt zu einem Schmunzeln zum Aha-Erlebnis. «Wieso eigentlich nicht?», dachte sie sich.
Das Ehepaar war Ende des vergangenen Jahrzehnts im Aufbruch, Martina und Robert beruflich stark eingespannt, die Kinder ein und vier Jahre alt. Das stimmt für die junge Familie nicht mehr, sie suchte neue Möglichkeiten, einen Weg ins Jobsharing. Einen Ort, wo sich arbeiten aber auch gleichzeitig mehr Zeit mit der Familie verbringen liesse. Könnte dieser Ort tatsächlich auf dem Lindenberg liegen? Im für die beiden bis anhin unbekannten Luzerner Seetal? In einem Gebäude, welches damals als Asylunterkunft, zuvor als Sportausbildungszentrum und noch früher als Altersheim gedient hatte? «Wieso eigentlich nicht?», fragte sich nach einem Augenschein vor Ort bald auch Robert Gölis.
Ganz so einfach war der Weg zum Seminarhotel natürlich nicht, mit der Übernahme des Chlotisberg ging die junge Familie ein grosses Risiko ein. «Wir setzten alles auf eine Karte», sagt Robert Gölis rückblickend. Mit Unterstützung aller Familienangehörigen und Freunden startete das Seminarzentrum den Betrieb. Obwohl es damals in viel Eigenarbeit renoviert wurde, strahlte es jedoch eher «den Charme einer Jugendherberge» aus.
Frei in der Gestaltung
Die Rechnung ging für die Gölis auf, auch wenn das Seminarhotel noch nicht auf Anhieb den heutigen Drei-Sterne-Hotelstandard erreichte. Bei den Seminarveranstaltern, das Paar betreibt selbst keine Werbung, hatten sich die Angebote des Chlotisberg schnell herumgesprochen. Betriebsleiterin Martina Gölis-Andermatt erklärt sich den schnellen Erfolg auch so: «Viele Seminarhotels werden von christlichen Institutionen geführt. Entsprechend haben diese Auflagen. Unser Vorteil ist, dass wir freier im Angebot sind.» Was die Gäste am Chlotisberg sonst noch schätzen, sei das familiäre Ambiente. Robert Gölis: «Wir sind persönlich vor Ort und ansprechbar.»
Verkehr, Lärm, Stress – hier oben, weit über dem Baldeggersee zwischen Lieli und Sulz, scheinen alle Sorgen des Tals weit weg. Normalerweise. Aber eben, die Zeiten sind im Moment nicht ganz normal. Zwar ist der Chlotisberg noch immer eine Oase der Ruhe, doch die Pandemie hat auch hier ihre Spuren hinterlassen. Buchungen stocken, viele Gruppen warten ab, wissen nicht, ob sie ihr Seminar abhalten wollen oder nicht. Aber das Seminarbusiness ist eines mit Weitblick. So werden die Lehrgänge und Kurse oft auf drei oder vier Jahre voraus gebucht. Das gibt mit Blick in die Zukunft Sicherheit.
Business-Gäste auf den Berg locken
Während dem Lockdown kamen über Monate gar keine Gäste. Die Zeit wurde genutzt, die alte Turnhalle zum flexibel nutzbaren Gross-Seminar-Raum umgebaut. So können in Coronazeiten auch grössere Gruppen ihre Kurse mit gebührendem Abstand abhalten. Geschäftsführer Robert hat selbst Hand angelegt und die Halle zusammen mit seinem Sohn Ben und Handwerkern umgebaut. Eine Fensterfront gibt nun den Blick aufs Seetal und die ferne Bergwelt frei. Unterhalb des Hotelgebäudes entstanden zehn neue Holz-Lodges, alle Zimmer mit separatem Eingang. Nach zwei Jahren Planung wurden die Hotelboxen im August per Schwertransport angeliefert, innerhalb dreier Wochen stand der neue «Hoteltrakt». Die Gölis möchten die Auslastung unter der Woche, Seminare finden meist von Donnerstag bis Sonntag statt, erhöhen und ihr Haus breiter abstützen, mehr Business-Kunden auf den Berg holen. Diesen oft etwas anspruchsvolleren Gästen soll in den Lodges der gewünschte Komfort geboten werden. Somit verfügt der Chlotisberg neu über 47 Zimmer, 105 Gäste können auf dem Berg übernachten. Zehn Mitarbeiter, davon ein Koch, sorgen für das Wohl der Gäste. Vor der Abreise die letzte Frage: «Mit welchem Titel wird der ‹Seetaler› 2030 über den Chlotisberg berichten? » Martina und Robert Gölis lachen, antworten ohne zu überlegen: «Das beliebteste Seminarhotel der Zentralschweiz.» Jonathan Furrer, Seetalerbote